Geschichte
In den folgenden Abschnitten finden Sie einen kurzen Abriss der Geschichte des Unternehmens „Gebrüder Thonet“.
Diese orientiert sich an der im Dezember 2025 veröffentlichten Monographie des Verfassers.
Hier eine Inhaltsübersicht:
Die Arbeit ist in drei größere Teile gegliedert. Der erste beschreibt die Zeit Michael Thonets in Boppard und Wien, der zweite die Geschichte des 1853 gegründeten Unternehmens bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, der dritte schließlich die Jahre von 1918 bis 1924. Für die Bopparder und Wiener Zeit und auch für die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine sich an der Chronologie orientierte Darstellung gewählt. Der zweite Teil – Fabriken, Filialen und Ausstellungen – hingegen ist thematisch aufgebaut ist. Diesen drei Themenbereichen sind Erörterungen vorangestellt, welche die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen, unter denen die Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Österreich stattfand, grundsätzlich beschreiben. Die unternehmerischen Entscheidungen der Gebrüder Thonet sind nur vor diesem Hintergrund zu verstehen.
Die Kenntnis der Besonderheiten der industriellen Herstellung von Bugholzmöbeln wiederum ist Grundlage des Verständnisses der Organisation der Arbeitsprozesse in jeder ihrer Fabriken. Die speziellen Eigenheiten des Verfahrens gelten für alle Produktionsstandorte und werden daher der Entstehungsgeschichte der Fabriken vorangestellt und ausführlich erläutert. Zur Herstellung von Bugholzmöbeln benötigte das Unternehmen keine qualifizierten Arbeiter, was es unter anderem ermöglichte, die Produktion in die ruralen Gebiete des Habsburgerreiches zu verlagern, wodurch sich erhebliche Kostenvorteile ergaben. Ausführlich wird die Frage erörtert, wie das Unternehmen mit „seinen“ Arbeitern umging, wie hoch die Löhne waren, welche Fürsorge es ihnen vor den verbindlichen Regelungen der Sozialgesetzgebung in den 1880er Jahren zukommen ließ.
Zu all diesen Fragen: Was in den Fabriken des Unternehmens von wie vielen Beschäftigten unter welchen Bedingungen produziert wurde, lagen bisher so gut wie keine Informationen vor. Mit Hilfe statistischer Unterlagen, den sogenannten Jahresausweisen, lässt sich erstmals die Entwicklung einer jeden einzelnen Fabrik im Detail nachzeichnen. Zusammen mit – wenn auch verstreuten – Informationen aus persönlichen Briefen der familiären Gesellschafter der Firma wird erkennbar, aus welchen Gründen Standorte errichtet wurden, wo deren Produktionsschwerpunkte lagen, welche Schwierigkeiten auftraten und wie diese bewältigt werden konnten.
Alles, was produziert wird, muss auch konsumiert, muss verkauft werden. Die Frage, wie die Firma dies organisierte, wird in dem nächsten Kapitel beschrieben. Vertrieb und Logistik sind angewiesen auf entsprechende Transportmöglichkeiten und hier kam den Gebrüdern Thonet eine Entwicklung zugute, die mit den dampfgetriebenen Verkehrsmitteln – für das Gebiet der Monarchie in den 1830er Jahren – begonnen hatte, so dass das Unternehmen in den 1850/60er Jahren bereits ein relativ gut ausgebautes Schienennetz vorfand. Gegenüber vielen anderen Produzenten, welche den Verkauf ihrer Waren nicht selbst übernahmen, sondern an Zwischenhändler lieferten, bauten die Gebrüder Thonet ein eigenes Filialnetz auf. In den großen Zentren und Metropolen fungierten diese Filialen als Verteilzentrum für örtliche oder regionale Händler, während man in kleineren Städten auch mit dem Fachhandel zusammenarbeitete. Das Vertriebsmodell wird an einigen Beispielen erläutert, darüber hinaus aber auch die expansive Vertriebspolitik des Unternehmens, die mit der Errichtung von Standorten in Wien und der Monarchie begann und Anfang der 1860er Jahre bereits nach London und Paris ausgeweitet wurde. Aus einer geographischen Statistik nach der Jahrhundertwende ist ersichtlich, welche Umsätze das Unternehmen schließlich in allen fünf Erdteilen machte.
Die Bedeutung von Gewerbe-, Industrie- und Weltausstellungen für die industrielle Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist unbestritten. Die Gebrüder Thonet bedienten sich dieses Mediums in vielfältiger Weise und nahmen regelmäßig an diesen Leistungsschauen teil. In den 1850er Jahren waren sie sich noch unschlüssig darüber, welchen Weg sie einschlagen sollten: Massenmöbel oder Luxusware. Diese Unentschiedenheit kann anhand der Bestückung der Ausstellungen nachgewiesen werden, wobei mit der Weltausstellung 1862 in London die Entscheidung für die einfachen Gebrauchsmöbel gefallen war. Parallel zu dieser Ausstellung eröffnete das Unternehmen seine erste eigene Verkaufsniederlage außerhalb der Monarchie. Dieses Muster – die Eröffnung eines Verkaufsstandorts gleichzeitig mit der Teilnahme an einer Ausstellung – findet sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vielfach und kann mit zahlreichen Beispielen belegt werden.
In den Jahren 1914 bis 1918 kam die Produktion nahezu zum Erliegen. Nach dem Krieg versuchte man, durch eine Aufteilung des Unternehmens in verschiedene Handels- und Aktiengesellschaften an die Vorkriegserfolge anzuknüpfen. Doch musste dies nahezu zwangsläufig scheitern, wenn man einmal die wirtschaftlich eher fragwürdigen Entscheidungen, aber auch die zunehmenden Auseinandersetzungen der Familienstämme berücksichtigt, womit die Erfolgsgeschichte des Unternehmens Gebrüder Thonet bereits nach nur 70 Jahren endete.
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